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Kann die Ernährung wirklich Ihren Cholesterinspiegel senken? Was Menschen mit Diabetes wissen müssen

Wenn Ihr Arzt empfohlen hat, Ihren Cholesterinspiegel zu senken, sind Sie nicht allein. Cholesterin ist vielleicht der bekannteste Gesundheits-Biomarker, besonders für Menschen mit Diabetes. Seine Verbindung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird seit Jahrzehnten diskutiert, bleibt aber einer der am meisten missverstandenen Aspekte der Gesundheit. Die gute Nachricht? Das wissenschaftliche Verständnis hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschoben, und die Ernährung kann eine wichtige Rolle spielen – nur nicht auf die Weise, die Sie vielleicht erwarten.

Cholesterin verstehen: Die Grundlagen

Bevor wir darauf eingehen, was Sie essen können, lassen Sie uns klären, was Cholesterin eigentlich ist. Cholesterin ist ein Lipid – eine Fettart – das hauptsächlich von Ihrer Leber produziert wird. Es bewegt sich als Teil von Lipoproteinen durch Ihren Blutkreislauf. Lipoproteine sind winzige Pakete, die Cholesterin zu verschiedenen Zellen in Ihrem Körper transportieren.

Ihr Körper benötigt Cholesterin für essentielle Prozesse, darunter:

  • Aufbau und Erhalt von Zellmembranen
  • Produktion von Hormonen wie Östrogen und Testosteron
  • Bildung von Gallensäuren, die bei der Verdauung helfen
  • Synthese von Vitamin D

Cholesterin ist nicht grundsätzlich schlecht – tatsächlich könnten Sie ohne es nicht überleben. Das Problem entsteht, wenn Sie zu viel LDL-Cholesterin (sogenanntes „schlechtes“ Cholesterin) im Blut haben. Hohe LDL-Werte können zur Bildung von Plaque an den Arterienwänden beitragen und somit das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen. Dieses Risiko ist besonders für Menschen mit Diabetes relevant, da sie ohnehin ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.

Der Mythos vom Nahrungscholesterin: Was die Wissenschaft wirklich zeigt

Fast ein halbes Jahrhundert lang rieten Ärzte ihren Patienten, das Nahrungscholesterin – also das in Lebensmitteln enthaltene Cholesterin – auf weniger als 300 mg pro Tag zu begrenzen. Das bedeutete Einschränkungen bei Eiern, verarbeitetem Fleisch, Garnelen und Vollmilchprodukten. Viele Menschen mieden diese Lebensmittel gewissenhaft, im Glauben, sie würden Ihr Herz schützen.

Doch aktuelle Forschungsergebnisse zeigen: Cholesterin aus der Nahrung hat für die meisten Menschen kaum bis keinen Einfluss auf den Cholesterinspiegel im Blut. Diese überraschende Erkenntnis hat unser Verständnis des Cholesterinmanagements revolutioniert.

Warum erhöht Nahrungscholesterin den Cholesterinspiegel im Blut weniger stark, als wir früher dachten? Ihr Körper ist bemerkenswert intelligent. Wenn Sie mehr Cholesterin mit der Nahrung aufnehmen, greift Ihr Körper auf folgende Ausgleichsmechanismen zurück:

  1. Er erhöht die Cholesterinausscheidung über die Galle
  2. Er verringert die Cholesterinproduktion in der Leber
  3. Er passt die Aufnahme im Darm an

Dieses interne Regulierungssystem sorgt dafür, dass der Cholesterinspiegel im Blut bei den meisten Menschen relativ stabil bleibt – unabhängig davon, wie viele Eier Sie zum Frühstück essen.

Die Ausnahme: Cholesterin-Hyper-Responder

Etwa 15-25% der Bevölkerung sind „Hyper-Responder“ – also Menschen, deren Cholesterinspiegel im Blut deutlich auf die Cholesterinaufnahme durch die Nahrung reagiert. Wenn Sie zu dieser Gruppe gehören, wird der Verzehr von cholesterinreichen Lebensmitteln Ihr LDL-Cholesterin stärker erhöhen als bei anderen.

Doch auch diese Erkenntnis ist differenziert zu betrachten. Studien deuten darauf hin, dass bei Hyper-Respondern sowohl LDL- als auch HDL-Cholesterin gleichermaßen ansteigen können und die Größe der Lipoproteinpartikel zunimmt. Größere Partikel werden im Allgemeinen als weniger schädlich angesehen als kleinere, dichtere, was das Herz-Kreislauf-Risiko teilweise abmildern könnte.

Low-Carb- und ketogene Ernährung: Eine komplexe Beziehung

Viele Menschen mit Diabetes probieren eine kohlenhydratarme oder ketogene Ernährung zur Blutzuckerkontrolle aus. Doch wie sieht es mit dem Cholesterin aus? Die Auswirkungen sind überraschend unterschiedlich und nicht vollständig vorhersehbar.

Studien zeigen verschiedene Ergebnisse:

  • Bei manchen Menschen verändert sich der LDL-Cholesterinspiegel gar nicht
  • Bei anderen sinkt das LDL-Cholesterin zusammen mit Verbesserungen bei Triglyzeriden und HDL
  • Eine Teilgruppe – vor allem „lean mass hyper-responders“ – erlebt einen deutlichen LDL-Anstieg

Interessanterweise haben einige Studien festgestellt, dass eine Low-Carb-Ernährung hilft, LDL-Cholesterin-Partikel in größere, „harmlosere“ Formen umzuwandeln. Diese Partikelgröße ist bedeutsam, weil kleinere, dichtere LDL-Parikel eher in die Arterienwand eindringen und Plaques bilden.

Wichtige Empfehlung: Wenn Sie auf eine Low-Carb-Ernährung umstellen, lassen Sie Ihr Blutlipidprofil vor der Ernährungsumstellung testen und führen Sie regelmäßige Kontrollen durch. So können Sie und Ihr Arzt Ihre individuelle Reaktion beobachten und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.

Ernährung bleibt wichtig: Konzentrieren Sie sich auf diese gesunden Lebensmittel

Auch wenn Cholesterin in der Nahrung vielleicht nicht der Bösewicht ist, für den wir es hielten: Die Ernährung spielt bei der Cholesterinkontrolle nach wie vor eine wichtige Rolle. Entscheidend ist, den Fokus vom Vermeiden des Nahrungscholesterins auf Lebensmittel zu verschieben, die aktiv die Herzgesundheit fördern.

Lösliche Ballaststoffe

Lösliche Ballaststoffe binden Cholesterin im Verdauungstrakt und helfen, es auszuscheiden, bevor es in den Blutkreislauf gelangt. Hervorragende Quellen sind:

  • Hafer und Haferkleie
  • Bohnen, Linsen und Kichererbsen
  • Rosenkohl und Brokkoli
  • Äpfel, Birnen und Zitrusfrüchte
  • Psylliumschalen

Omega-3-Fettsäuren

Diese gesunden Fette helfen, LDL-Cholesterin und Triglyzeride zu senken und unterstützen die gesamte Herzgesundheit. Sie finden sich in:

  • Fettreichen Fischen wie Lachs, Makrele, Sardinen und Hering
  • Walnüssen und Leinsamen
  • Chiasamen

Phytosterine und Antioxidantien

Pflanzenstoffe wie Phytosterine blockieren die Cholesterinaufnahme, während Antioxidantien verhindern, dass Cholesterin oxidiert – ein Prozess, der es schädlicher macht. Diese wertvollen Stoffe sind reichlich enthalten in:

  • Nüssen wie Mandeln, Pistazien und Pekannüssen
  • Bunten Gemüsen und Früchten
  • Vollkornprodukten
  • Hülsenfrüchten
  • Extra natives Olivenöl

Die Botschaft ist wichtig: Kohlenhydrate sind nicht der Feind. Vollwertige und wenig verarbeitete kohlenhydrathaltige Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkorn bieten wichtige Nährstoffe und Verbindungen, die gesunde Cholesterinwerte unterstützen.

Mehr als nur Ernährung: Ein ganzheitlicher Ansatz für das Cholesterinmanagement

Ernährungsumstellungen können den Cholesterinspiegel positiv beeinflussen, aber der wirksamste Ansatz berücksichtigt mehrere Lebensstilfaktoren gleichzeitig. Gerade für Menschen mit Diabetes führt diese umfassende Strategie meist zu den besten Ergebnissen für Blutzucker und Herz-Kreislauf-Gesundheit.

Regelmäßig bewegen

Körperliche Aktivität ist eines der stärksten Werkzeuge zur Verbesserung des Cholesterinprofils. Bewegung erhöht das HDL- („gutes“) Cholesterin und senkt LDL und Triglyzeride. Studien deuten darauf hin, dass die Kombination von Ausdauer- mit Krafttraining am wirksamsten ist.

Geeignete Aktivitäten sind zum Beispiel:

  • Flottes Gehen (30 Minuten an den meisten Tagen anstreben)
  • Joggen oder Laufen
  • Radfahren
  • Schwimmen
  • Krafttraining mit Gewichten oder Widerstandsbändern

Alkoholkonsum einschränken

Übermäßiges Trinken erhöht die Triglyzeridwerte und kann Cholesterin erhöhen. Ähnlich wie zu viel Zucker fördert zu viel Alkohol die Fettleber, was die Cholesterinausscheidung und -verwertung stört. Falls Sie trinken, dann in Maßen – oder erwägen Sie, komplett darauf zu verzichten, um Ihre Stoffwechselgesundheit zu optimieren.

Rauchen und Dampfen aufgeben

Rauchen und Dampfen können das gute HDL-Cholesterin senken. Rauchen fördert zudem die Entstehung von freien Radikalen und oxidativen Stress im Körper, was das LDL-Cholesterin schädlicher macht, da Oxidation begünstigt wird. Falls Sie rauchen, ist das Aufhören eine der wichtigsten Maßnahmen für Ihr Herz.

Medikamente in Betracht ziehen, wenn es angezeigt ist

Manchmal reichen Lebensstiländerungen nicht aus, um die Zielwerte beim Cholesterin zu erreichen – vor allem bei Menschen mit Diabetes, die ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko haben. Ihr Arzt könnte Ihnen empfehlen, die Maßnahmen durch cholesterinsenkende Medikamente wie Statine zu ergänzen. Das ist kein Versagen – es ist ein sinnvoller Weg, Ihre Gesundheit zu schützen, wenn Ernährung und Bewegung weitere Unterstützung benötigen.

Fazit

Die Beziehung zwischen Ernährung und Cholesterin ist komplexer, als wir früher dachten. Für die meisten Menschen hat Cholesterin aus der Nahrung einen minimalen Einfluss auf den Cholesterinspiegel im Blut. Dennoch spielt die Ernährung eine große Rolle – nur eben auf eine andere Art und Weise als bislang angenommen.

Konzentrieren Sie sich auf:

  • Lebensmittel mit hohem Anteil an löslichen Ballaststoffen, Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien
  • Verzehr von vollwertigen, wenig verarbeiteten Kohlenhydraten
  • Regelmäßige Überwachung Ihrer Werte, besonders bei Low-Carb-Diät
  • Kombination von Ernährungsumstellung und Bewegung
  • Vermeidung von Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum
  • Zusammenarbeit mit Ihrem Arzt, um zu klären, ob Medikamente sinnvoll sind

Für Menschen mit Diabetes ist das Cholesterinmanagement entscheidend, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Die gute Nachricht: Viele Lebensstilfaktoren, die das Cholesterin verbessern – wie vollwertige Ernährung, Bewegung und ein gesundes Körpergewicht – unterstützen auch die Blutzuckerkontrolle.

Bedenken Sie, dass jede Person unterschiedlich auf Ernährungsumstellungen reagiert. Was für den einen funktioniert, muss für Sie nicht genauso passen. Regelmäßige Kontrollen und offene Kommunikation mit Ihrem Gesundheitsteam helfen Ihnen, den für Sie individuell passenden Weg zu finden.

Quellen

  1. Soliman, G. A. (2018). Dietary Cholesterol and the Lack of Evidence in Cardiovascular Disease. Nutrients, 10(6), 780. https://doi.org/10.3390/nu10060780
  2. Arnett, D. K., et al. (2019). 2019 ACC/AHA Guideline on the Primary Prevention of Cardiovascular Disease: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. Circulation, 140(11), e596-e646. https://doi.org/10.1161/CIR.0000000000000678
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